Interregnum in Deutschland

Interregnum in Deutschland
Interregnum in Deutschland
 
Als »Interregnum« (lateinisch »Zwischenherrschaft«) wird üblicherweise die Zeit zwischen dem Erlöschen des staufischen Herrscherhauses in Deutschland mit dem Tode Konrads IV. 1254 und der Wahl Rudolfs von Habsburg im Jahre 1273 bezeichnet. Die mit diesem Begriff verbundene Vorstellung von »der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit« (Schiller) gibt zu Missverständnissen Anlass. Denn »kaiserlos« blieb das Heilige Römische Reich noch viel länger - bis zum Jahre 1312, als mit dem Luxemburger Heinrich VII. in Rom wieder ein Kaiser gekrönt wurde. Doch selbst wenn man von einer »königlosen« Zeit spricht, trifft man den Sachverhalt nicht, denn es gab eher zu viele Könige, die die Herrschaft im Reich beanspruchten. Bereits die Staufer mussten sich mit Gegenkönigen auseinander setzen, seit 1246 mit dem Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen und nach dessen Tod im Jahre 1247 mit dem Grafen Wilhelm von Holland. Aus einer umstrittenen Wahl im Jahre 1257 gingen wieder zwei Könige hervor: Alfons X. von Kastilien, ein Enkel Philipps von Schwaben, sowie Richard von Cornwall, ein Bruder des englischen Königs, Heinrichs III., und Vetter Ottos IV.
 
Beide Thronanwärter waren weniger an der Herrschaft in Deutschland interessiert, als an der Möglichkeit, über das deutsche Königtum die Kaiserkrone und damit die Herrschaft über Reichs-Italien zu erringen. Doch während Alfons von Kastilien überhaupt nie ins Reich kam, konnte auch Richard von Cornwall während seiner kurzen Aufenthalte in Deutschland, die ihn nie auf die östliche Rheinseite führten, seinen Anspruch auf Königsherrschaft als Voraussetzung für einen Romzug nicht durchsetzen.
 
Es fehlte zwar nicht an Königen, aber doch an einer allseitig anerkannten königlichen Autorität, die in der Lage gewesen wäre, Frieden und Recht gegenüber dem Interessenegoismus der einzelnen Territorialgewalten durchzusetzen. Während die Mehrzahl der Fürsten dieser Entwicklung eher gleichgültig gegenüberstand, hatten die rheinischen Städte bereits 1254 zur Selbsthilfe gegriffen und zur Aufrechterhaltung des Landfriedens und zur Abwehr willkürlicher Zollforderungen einen großen Städtebund (Rheinischer Bund) geschlossen, dem bereits nach zwei Jahren über 70 Städte von Aachen bis Zürich angehörten. Die Erfolge des Bundes, der energisch gegen Friedensbrecher vorging, veranlassten sogar die rheinischen Erzbischöfe, den Pfalzgrafen sowie mehrere Bischöfe, Grafen und Herren zum Anschluss. Als im Jahre 1255 auch König Wilhelm den Bund reichsrechtlich anerkannte, schien sich hier für das Königtum eine Möglichkeit zu bieten, die selbstbewussten Städte im Sinne der Reichspolitik zur Friedenswahrung heranzuziehen.
 
Wie sehr der Bund sich als Wahrer des Reichsinteresses fühlte, wurde nach dem Tod Wilhelms (1256) deutlich, als die Städtevertreter beschlossen, während der Thronvakanz das Reichsgut zu schützen und nur einem zweifelsfrei gewählten König die Tore zu öffnen. Dennoch konnte die Doppelwahl von 1257 nicht verhindert werden, die das Ende des Bundes bedeutete, da die meisten Städte aus handelspolitischen Gründen Richard von Cornwall anerkannten, ohne jedoch die Lage im Reich ändern zu können.

Universal-Lexikon. 2012.

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